An dieser Stelle werden kurze Berichte unsere Schüler veröffentlicht, in denen sie beschreiben welche Erfahrungen sie im alltäglichen Leben mit Rassismus gemacht haben.

Den Anfang macht eine Geschichte über Rassismus im Urlaub:

Begegnungen mit Rassismus können einem Menschen sehr schnell den Spaß verderben

Wie jedes Jahr, fuhr ich in den Sommerferien nach Polen, nur dieses Mal sollte es unangenehmer werden als sonst. Ich wohnte in unserem abgelegenen Haus und wollte in die Stadt. Da mein Opa lange schlief und ich keine Lust hatte auf ihn zu warten, fuhr ich zusammen mit meiner Oma auf dem Fahrrad in die Stadt.

Weil ich mich in den kleinen Geschäften unwohl fühle, erledigte ich alle Einkäufe relativ schnell. Im Geschäft packte ich zielstrebig alles Notwendige in meinen Korb, was jedoch die Aufmerksamkeit des Personals erregte. Das mag zum Einen daran gelegen haben, dass meine Geschäftigkeit vielleicht einen gewissen Egoismus auszustrahlen schien. Zum Anderen machte ich den Fehler deutsch zu sprechen. Denn es fällt mir bei alltäglichen Dingen schwer umzuschalten, weil nun mal Deutsch die Sprache ist, welche meinen Lebensbezug entscheidend prägt.

An der Kasse bekamen meine Oma und ich dieses zu spüren: „Ich solle doch gefälligst polnisch sprechen und etwas Gescheites lernen.” Zunehmend wurde ich mit immer schlimmeren polnischen Beschimpfungen überschüttet, welche ich selbstverständlich verstand, weil ich es von Kindesbeinen an spreche.

Ich hörte mir die Schimpftriade eine Zeit lang an aber sie wurden immer aggressiver. Dann fing ich an mich auf polnisch zu verteidigen. Der Verkäufer bezog sich dann auf die deutsche Geschichte und ich machte Anstalten zu vermitteln. Ich wollte ihm klarmachen, dass ich nicht für die Gräuel der Geschichte verantwortlich zu machen bin und dass ich die Kriegsverbrechen genau so schrecklich und abstoßend empfinde wie er. Doch er steigerte sich immer mehr in seinen Redeschwall hinein und nannte uns „Vaterlands-Verräter”.

Dieses konnte meine Oma gar nicht ertragen. Von einem jungen Mann, der den Krieg nicht einmal erlebt hatte, hören zu müssen eine „Vaterlands-Verräterin” zu sein, obwohl unsere Familie im Krieg immer zu Polen hielt, ging ihr zu weit.
Der Verkäufer forderte meine Oma auf zu schweigen, was sie natürlich nicht tat. Die Kassiererin hat sich nach meinem dafürhalten am klügsten verhalten. Sie hörte gar nicht zu, verschloss ihrer Augen und ließ die rassistischen Anfeindungen teilnahmslos an sich vorüber gehen.

Schließlich beendete meine Oma die Konversation mit dem Ausspruch: „Sie wissen doch gar nicht was Grenzen sind, wo sie gezogen werden, wo sie liegen und wer sie gezogen hat! Sie wissen nicht einmal, wo die Grenzen ihres Urteils liegen”. Daraufhin verließen wir das Geschäft und machten uns auf den Rückweg.

Das Erlebnis in dem Geschäft war eigentlich nicht das Schlimmste. Schlimmer ist die Tatsache, dass es immer noch in meinem Kopf bleibt. Früher fühlte ich mich in Polen sicher und dachte nicht im Traum daran, dass mir so etwas passieren würde.

Ein Erlebnis einer Schülerin unserer Oberstufe.